Erntedank und Herbst Newsletter
05. Juni 2023
Liebe(r) Besucher,

Der Herbst ist dieses Jahr zu uns gekommen wie sonst der Frühling – mit frischem Grün auf den Wiesen, neu erblühten Blumen und feuchter Erde voller Regenwürmer. Das lässt fast vergessen, dass wir hier im Weimarer Land eine ausgiebige Erfahrung mit extremer Hitze und sehr großer Trockenheit gemacht haben und den ganzen Sommer über fast kein Tropfen Regen auf unseren Berg gefallen ist.
Es tut meinen Augen gut zu bezeugen, wie das braune verdorrte Gras zeigt, dass es lediglich eine Art Sommer-Schlaf gehalten hat, ohne jedoch abzusterben, und geduldig darauf gewartet hat, vom Regen benässt und wieder grün zu werden. Danke, liebes Gras, dass du so was zustande bringst!
Dankbarkeit und Wertschätzung in unserer Gemeinschaft
Unser letztes großes Plenum haben wir zu einem guten Teil damit verbracht, all das zu sammeln und in die Mitte zu bringen, wofür wir dankbar sind. Dinge, die wir willentlich erreicht haben, mit kleinem oder großem Kraftaufwand. Dinge, mit denen wir einfach beschenkt worden sind. Dinge, die sich erst später als Geschenk herausstellten, wie z.B. der Umstand, dass wir uns vor zwei Jahren nicht dafür entscheiden konnten, eine Gasheizung einzubauen…
Ich möchte euch ein wenig teilhaben lassen an unserer langen Liste: unsere kleinen und großen Baustellen wurden darin aufgelistet - z. B. die Fortschritte in der Reparatur unserer Dächer und der neu abgedichtete Teich und unser Brunnen, aus dem wir jetzt unsere Zisternen füllen. Dankbarkeit und Wertschätzung für die finanziellen Zuschüsse, die wir erhalten haben, um eine wunderschöne Eidechsenmauer, unser neues Gästebad, neue Elektronik für unsere gemeinschaftlich genutzten Büros, mobile Komposttoiletten und eine kleine Seminarküche zu ermöglichen. Sehr viel Wertschätzung und Sichtbarkeit gab es für die vielen Menschen, die mit ihren Händen und Herzen unsere Alltagsorganisation meistern, die putzen, kochen, Holz machen, mitdenken, kreative Flickschusterei betreiben, die Speisekammer einräumen, Geschirrhandtücher waschen, versorgen, entsorgen, umarmen, zuhören und Lösungen finden. Dankbarkeit dafür, dass ein anderer macht, was ich nicht machen kann.
Die große Dankbarkeit, an diesem Platz zu leben, der Heimat für uns ist, an dem wir Wurzel schlagen und auch anderen Menschen hier für kürzere oder längere Zeit Heimat geben können.
Dankbarkeit für das große Wunder, von Mutter Erde jeden Tag beschenkt zu werden, den Garten voller Gemüse, die Äpfel und Nüsse vom Baum, die Kräuter am Waldrand. An die Regenwürmer, die den Boden umgraben, an Schnecken und Wühlmäuse, die uns etwas übrig lassen.
Viel Dankbarkeit wurde ausgedrückt dafür, die Entwicklung unserer Kinder bezeugen zu dürfen, der kleinen, die mit so viel Naturverbundenheit aufwachsen, und der großen, die ihre unterschiedlichen Wege in die Selbständigkeit gehen.
Viele in unserer Gemeinschaft leben in der Haltung (und üben sie täglich), dass Wertschätzung und Dankbarkeit nicht nur eine Art Sahnehäubchen auf dem ist, was uns widerfährt, sondern ein unersetzbares und total wichtiges Puzzle-Teil, mit dem wir uns in den Kreislauf des Lebens einbetten und eingebettet sind. Vielleicht ist sogar die Gabe, Dankbarkeit empfinden und ausdrücken zu können, etwas, was uns Menschen besonders auszeichnet? Die indigene Autorin Robin Wall Kimmerer drückt das mit diesen Worten aus: „Eine Gabe zu besitzen ist gekoppelt an die Aufgabe, diese für das Wohle aller einzusetzen. Eine Drossel besitzt die Gabe des Singens – und so hat sie die Verantwortung, den Tag mit Musik zu begrüssen. Lachs besitzt die Gabe zu reisen, und so akzeptiert er die Aufgabe, Nahrung flussaufwärts zu bringen. […] Als menschliche Spezies, die sich erst vor Kurzem auf diesem Planeten entwickelt hat, fehlen uns die Gaben der uns begleitenden Arten, wie die der Stickstofffixierung, der Bestäubung und der 5000-Kilometer-Wanderung unter magnetischer Führung. Wir sind nicht einmal der Fotosynthese fähig. Aber wir haben unsere eigenen Gaben, Gaben die die Erde dringend braucht. Eine der mächtigsten dieser Gaben ist die Dankbarkeit.“
Ein besonderer Besuch: vier Älteste vom Volk der Kogi auf Schloss Tonndorf
Ich habe es im letzten Newsletter schon erwähnt, dass wir im Spätsommer besonderen Besuch bekommen würden. Vier Vertreter*innen aus dem Volk der Kogi kamen nach Europa und besuchten auch uns. Die Kogi sind ein Volk, das in den kolumbianischen Bergen sehr zurückgezogen lebt, das seit Jahrtausenden ungebrochen mit seinen Traditionen verbunden ist und sich selbst als „Große Brüder“ und „Hüter*innen der Erde“ begreifen. Wir bekamen den ehrenvollen Auftrag, hier auf Schloss Tonndorf ein Treffen auszurichten, dass sich die Kogis gewünscht hatten. Sie äußerten den Wunsch nach einem Treffen mit unseren „Ältesten“, unseren weisen Menschen aus Europa. Ein großer Auftrag! Hätten wir die Kogi besucht und uns ein solches Treffen gewünscht, so hätten die Kogi sicher sofort gewusst, was zu tun wäre. Sie hätten gewusst, wer diese Personen sind und welche Form die richtige ist, um ein solches Treffen statt finden zu lassen. Wir standen vor der herausfordernden Aufgabe, sowohl Form als auch Besetzung dieser Runde erst entstehen zu lassen.
In einer Jurte auf unserer Streuobstwiese fand der Ältesten-Rat schliesslich statt. Wir hatten sehr unterschiedliche Menschen in diesen Rat geladen, die sich alle intensiv der Suche nach Verbindung, Heilung und Weisheit gewidmet haben: es saßen dort ein Tanztherapeut, ein Gärtner, ein Leiter einer Schule für Wildnispädagogik, eine Frau aus einem Großmütterkreis, eine Ritualleiterin, eine Politikwissenschaftlerin, eine Trauma-Therapeutin, ein Buchautor und ein spiritueller Lehrer zusammen mit den Kogis. Wir begannen mit einem gemeinsamen Erntedank-Ritual, bei dem auch die Kindern der neu gegründeten Dorfschule dabei waren. Ein Ritual, in dem wir der Erde ganz bewusst einen kleinen Teil der Geschenke zurück gaben, die sie uns täglich macht.
Später in der Jurte sassen wir im Kreis und bewegten die Frage nach der persönlichen Aufgabe im Leben und dem, was es jetzt an diesem Punkt der Menschheitsentwicklung an Impulsen und innerer Haltung braucht. Immer wieder gab es kleine Kommentare der Kogi dazu, kurz und prägnant, manchmal überraschend einfach und manchmal auch sehr heiter. Eine Sache, die ich ganz besonders mitgenommen habe von diesem Kreis in unserer Jurte zwischen den alten und jungen Apfelbäumen: welche Sicherheit und Klarheit Menschen wie die Kogi ausstrahlen und verbreiten, die in einer völlig ungebrochenen und selbstverständlich-liebevollen Beziehung zu unserer Mutter Erde sind. In mir lebt die Frage: wie kann ich den Mut und das Selbstvertrauen finden, selber mit mehr Sicherheit und Vertrauen immer mehr in diese Beziehung zu gehen? Ich weiss, dass viele in unserer Gemeinschaft auf ihre ganz eigene Art diese Fragen bewegen und ihre Wege dazu gehen.
Dieses Jahr: Feine kleine Veranstaltungen statt einem großen Adventszauber
Eine Sache, die auch in unserer Liste der Dinge auftauchte, für die wir dankbar sind: Dass wir mittlerweile einen gut ausgebauten Seminarbereich haben, in dem kleine Veranstaltungen und Seminare problemlos und in schönem Rahmen statt finden können. Die meisten der Seminare, die ihr bei uns mitmachen könnt, werden von Menschen aus unseren Reihen durchgeführt und sind immer auch schöne Gelegenheiten, neben interessanten Inhalten unser Schloss kennen zu lernen. Ansonsten: jeden Sonntag ist zur Zeit unser Café geöffnet für euch!
Wir haben uns dieses Jahr noch einmal dagegen entschieden, unseren großen Adventszauber am 1. Advent durchzuführen, da wir befürchten, dass es um diese Zeit Corona-Massnahmen geben könnte, die wir nicht einhalten und umsetzen können. Deshalb dieses Jahr noch einmal klein und fein. Noch steht das Programm nicht ganz fest, informiert euch gerne auf unserer Webseite.
Ich schicke euch viele Grüße vom Schloss,
und wünsche euch ein gutes Eintauchen in die dunklere Zeit,
Christiana für die Lebensgemeinschaft Schloss Tonndorf
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